05.03.2019 08:15 // „Kein Grundschüler sollte schon ein Handy haben“

Schon unter Grundschülern gibt es Cybermobbing-Opfer. Denn: Immer mehr Grundschüler besitzen Smartphones. Dr. med. Alexander Jatzko, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik, klärt über Ursachen und Folgen von Cybermobbing auf.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Smartphones und Mobbing?
Die Chance ist da, über Whatsapp über andere herzuziehen. Smartphones scheinen darüber hinaus etwas zu verändern. Nämlich dass die Stimmung in der ganzen Klasse auf einmal gegen einen geht. Gerade bei Grundschülern ist das untypisch, die haben diese Bindungen normalerweise noch gar nicht. An Studienergebnissen sieht man, dass das Gehirn von Grundschülern aber noch nicht dazu in der Lage ist, mit den Smartphones und der Nutzung verantwortungsvoll umzugehen und wir bringen es den Kindern auch nicht bei. Kein Grundschüler sollte schon ein Handy haben und schon gar nicht in der Schule selbst. Erst ab 12 bis 14 Jahren kann man durchdenken, was man macht und was für Folgen es hat. Welche Auswirkungen kann langfristiges Mobbing haben?
Wir haben verschiedene Schmerzzentren im Gehirn. Es gibt welche, da spüren Sie den Schmerz mit viel Gefühl, es tut weh. Bei Ausgrenzung und Mobbing sind diese auch aktiv. Menschen, die über Dauer ausgegrenzt und herabgewürdigt werden, können ängstlicher werden, depressiv oder fangen an zu viel oder zu wenig zu essen. Das Frustessen ist nicht selten. Viele meiner Patienten mit Adipositas erzählen, dass sie früher gemobbt wurden. Bei manchen Menschen geht es so weit, dass es in Richtung Traumatisierung geht. Sie sehen die Bilder auch noch im Erwachsenenalter. Empfinden Kinder diesen Schmerz stärker als Erwachsene, weil Ihnen bestimmte Hirnareale noch fehlen, die zur Kontrolle dienen?
Das Gefühl wird ähnlich sein, aber sie können es nicht so runterregulieren und müssen dann etwas anderes tun, wie zum Beispiel essen. Aber auch aggressives Verhalten, das Schlagen der Eltern beispielsweise, ist typisch. Das geht bis zum selbst verletzen im Teenageralter. Viele Betroffene sprechen nur ungern über ihre Probleme. Woran können Eltern erkennen, dass etwas nicht stimmt und wie sollten sie darauf reagieren?
Wenn das Kind weniger spricht, sich zurückzieht und von der Stimmung her traurig ist. Wenn es nicht in die Schule will, zunehmend Bauchweh und Kopfweh hat und dauernd Geld verliert, sollten Eltern es auf jeden Fall offen ansprechen. Sie sollten sich fragen, wie sie ihr Kind stärken und sich Hilfe holen können. Aber sie sollten auch mit Lehrern und mit der Schule sprechen. Wenn man gemobbt wird, sollte man sich auf jeden Fall Hilfe holen. Wenn in der Klasse niemand ist, sollte man den Lehrer informieren. Gute soziale Beziehungen schützen am besten. Den Gebrauch von Smartphones zu reglementieren, um Cybermobbing zu verhindern – könnte das die Lösung des Problems sein?
In der Grundschule auf jeden Fall. Ich halte jedes Jahr Vorträge in Schulen zur Mediennutzung und den Auswirkungen. Mittlerweile sieht man auch in Studien, dass bei Grundschülern die Zahl der Cybermobbing-Opfer am stärksten ansteigt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Grundschüler zunehmend Smartphones haben. Die Schulen sind darauf aber gar nicht vorbereitet. Ganz viele Kinder sind nachts wach, weil sie aufs Smartphone schauen. Wir leben in einer regelfreien Zeit, was die Smartphone-Nutzung angeht. Dabei wäre Medienkompetenz extrem wichtig. Kinder sollten altersgerecht gezeigt bekommen: Was mache ich damit, was darf ich anklicken, wie kann ich mich vor bestimmten Sachen schützen? Aber auch Regeln der Kommunikation sind wichtig. Weitere Infos zu Dr. med. Alexander Jatzko und der Klinik für Psychosomatik finden Sie hier.

Chefarzt der Klinik für Psychosomatik: Dr. med. Alexander Jatzko